In den letzten Jahren haben einige europäische Firmen den LNG Einstieg gewagt. Üblicherweise tut man das, indem man Regasifizierungskapazitäten bucht. Diese Kapazitäten sind heute eher ein Mühlstein um ihren Hals. Kein Mitleid hier, denn diese Situation ist großteils selbstverschuldet. Not ist aber auch oft ein guter Motivator harte Änderungen am Geschäftsmodell durchzusetzen.
Ich habe eine kleine Schwäche – ich geb’s zu. Irgendwie mag ich Europas Neueinsteiger in LNG. Sie haben teuere Kapazitäten gebucht, sich mit Dingen herumgeschlagen, die sie so gar nicht verstanden haben, weil sich der Markt alle 6 Monate grundlegend änderte und all das ohne auch nur den Hauch von LNG Bezug gesichert zu haben. Sie haben sich einfach darauf verlassen, dass der explodierende Markt das Risiko schon decken würde.
Jetzt nur kein falsches Mitleid. Ich will hier nichts behübschen. Sehr professionell haben sich die Neueinsteiger nun wirklich nicht verhalten. Aber der wahre Fehler war nicht der Einstieg in LNG an und für sich. Auch die Kapazitätsbuchungen auf Spekulation waren nicht Schuld.
Sie haben einfach nur die Aufgabe unterschätzt. Oder besser gesagt, sie haben sich gar keine Gedanken gemacht,was LNG eigentlich wirklich ist. Sie waren nicht auf den Wahnsinn, das Unglaubliche, die schiere Verrücktheit der LNG Welt vorbereitet. Sie dachten wohl, dass alles einfach so weitergehen würde wie bisher, bloß mit ein wenig spezieller Logistik. Ihnen allen hätte klar sein müssen, dass hier der Wunsch der Vater des Gedanken war. Die letzten 10 Jahre waren echt verrückt im LNG. Man musste absichtlich wegschauen um das nicht zu merken.
Und wer denkt die Reise sei zu Ende, irrt gewaltig. Es hat doch gerade erst begonnen spannend zu werden. Die Erdgaswelt verändert sich bis zur Unkenntlichkeit, das klassische Upstream Geschäft ist vollkommen mutiert und Rohöl lungert immer irgendwo in der Nähe von 100 USD pro Fass. Ich glaube nicht, dass man sich die Welt vor 10 Jahren so vorgestellt hat.
Wenn also jemand vollkommen neue Geschäftsfelder attackiert, muss er sich auf einige schlimme Fehlgriffe gefasst machen. Hier allerdings handelt es sich um ein wenig mehr als nur zusätzliches oder neues Geschäft. Wenn man Pandoras Büchse öffnet und zugleich der 3. Weltkrieg an der Heimatfront ausbricht, dann sollte man sich auf einen Paradigmenwechsel einstellen. Und die verlaufen selten sehr geradlinig. Das ist ein bisschen wie mit Lichtgeschwindigkeit durch Erbsensuppe fliegen.
In solch einer Extremsituation braucht man ein etwas – wirksameres – Gegenmittel. Es wird nicht reichen ein paar Abteilungen umzuschichten. Hier muss man an den Kern des Hauptgeschäfts. Man muss einige lieb gewonnene Gewissheiten über Bord werfen. Uralte Dogmas müssen entstaubt und manchmal entsorgt werden. Und du wirst abseits der getretenen Pfade gehen müssen. Gewöhn dich besser daran.
Bestehende Strukturen erlauben so etwas nicht. Darin agierende Mitspieler sind an ihrem Platz weil sie an diese glauben. Sie haben normalerweise einiges investiert und werden alles tun um den Status Quo aufrecht zu erhalten. Und wenn es das Ende der Firma – für die sie arbeiten – bedeutet.
Seit der Mensch denken kann, vertraute er immer eher dem was er meinte zu kennen, und misstraute allem Neuen. Es ist Angst – Angst es könnte alles was bisher investiert wurde – Zeit, Leben, Kinderwunsch, das private Glück – umsonst gewesen sein. Das darf niemals sein.
Außerdem glaubt man immer auf den Erfahrungen der Vergangenheit aufbauen zu müssen. Wirklich kreative Menschen wissen allerdings, dass es ohne Zerstörung des Alten, kein wahres neues Schaffen gibt. Und das ist nicht jedermanns Bier.
LNG sollte eigentlich nur ein weiterer Gasbezugsvertrag mit komplexer Logistik werden. Deswegen haben einige neue Player tolle Logistik-Teams aufgebaut. Sie hätten eher das gesamte Geschäft neu denken sollen, aber wer will das schon? Viele dachten, dass der Tradefloor das Kind schon schaukeln würde und wurden dabei selbst kräftig verschaukelt.
Aber ich schweife ab. Es gibt nämlich einen Silberstreif.
Schmerz hat seine eigenen Gesetzmäßigkeiten. Die meisten großen Umstrukturierungen waren eher die Konsequenz aus einer Notsituation und nicht wirklich geplant oder gewollt.
Not verändert jenen der sie erleidet. Das gilt auch für einen neuen LNG Player. Not zerstört die alte Substanz damit Platz für eine Neue wird. Es muss getan werden, weil es keine Wahl gibt – oder die Firma geht bankrott.
LNG stellt die neuen Mitspieler in Europa vor gewaltige Probleme. Aber richtig angepackt können es gerade diese Probleme sein, die es ihnen erlauben, besser zu werden (falls sie die Medizin überleben). Besser als ihre Konkurrenten im Heimmarkt und das braucht man, wenn alles rundherum zu Cannelloni wird. Die anderen, jene die sich LNG nicht ausgesetzt haben, denken noch ein wenig länger sie könnten sich Untätigkeit leisten. Dem Markt aber – und der Geschichte – entkommt man nicht. Genau dieser Luxus wird ihnen ihre Position und letztendlich oft ihr Leben kosten.
Das gilt übrigens auch für die bereits etablierten LNG Akteure. Nicht LNG macht dich besser. Es ist der Schmerz, die Not die es mit sich bringt.
Das heißt jetzt nicht, dass man sich absichtlich in Not bringen soll um besser zu werden. Andererseits, manchmal würde es tatsächlich nicht schaden.
Aber wenn man schon einmal in Not ist, warum nicht das Beste daraus machen? Schon Churchill sagte: „Wenn du durch die Hölle gehst, mach keine Pause“.